S T E C K B R I E F:
Schauspieler, Synchronsprecher, Synchronregisseur, Werbesprecher, Dialogbuchautor. Deutsche Stimme u.a. von Elvis Presley, Jean-Paul Belmondo, Tony Curtis, John Lennon, Franco Nero, Oliver Reed George Hilton, Rik Battaglia, Brad Harris. Mehr als 725 Sprechrollen. Geboren am 19. Januar 1936 in Berlin. Sternzeichen Steinbock. Verheiratet. Eine Tochter. Ein Sohn. Lebt in Berlin. – gestorben am 1. August 2024.
Synchronschauspieler Rainer Brandt war die deutsche Stimme von Elvis Presley. In den meisten seiner Filme verhalf er dem 1977 verstorbenen King of Rock ‚n‘ Roll zur deutschen Sprache. Mit ordentlich Hüftschwung hinter dem Mikrofon synchronschauspielte Brandt den King im ersten Presley-Farbfilm Gold aus heißer Kehle im Jahr 1957. Rainer Brandt war auch geübt im Hochseefischen. Im stimmlichen Schauspiel für Elvis Presley alias Ross Carpenter lebte er auf Hawaii und fuhr als Kapitän des Fischerboots Kingfisher Touristen im Zentralpazifik aufs Meer. Der Musikfilm Girls! Girls! Girls! (1962) wurde für einen Golden Globe nominiert. Schlagkräftig und brillant auch das Synchronschauspiel von Rainer Brandt für Elvis in der Rolle als Charlie Rogers, was er in König der heißen Rhythmen 1964 zeigte. Immerhin setzte Brandt akustisch mit fernöstlichen Kampfkünsten gleich drei Jugendliche außer Gefecht.
Mal von der Synchronisation abgesehen, was hatten Elvis Presley und Rainer Brandt in den fünfziger Jahren gemeinsam? Na das mit viel Pomade gebändigte Haupthaar. Die schöne Schmalztolle war zu dieser Zeit tatsächlich stilgebend für eine ganze Generation. Und wer hat sie quasi erfunden? Hollywoodstar Tony Curtis, der auch vom wunderbaren Rainer Brandt synchronisiert wurde. Beispielsweise im für den Oscar und den Golden Globe Nominierten US-amerikanisch-jugoslawischen Abenteuerfilm Taras Bulba mit Yul Brynner in der Titelrolle. Der kahlköpfige Brynner zählte in den fünfziger Jahren zu den beliebtesten Hollywooddarstellern. Sein Durchbruch gelang ihm 1956 als König von Siam in Der König und ich. Das Farbfilm-Meisterwerk aus dem Hause 20th Century Fox war für neun Academy Awards nominiert und gewann fünf Oscars, u.a. Yul Brynner als bester Hauptdarsteller.
Unvergessen auch die großartigen Synchronarbeiten von Rainer Brandt für den vielfach ausgezeichneten französischen Schauspieler Jean-Paul Belmondo, der 1998 die Goldene Kamera für sein Lebenswerk erhielt. Der vierschichtige Rainer Brandt verkörperte Belmondo stimmlich in den unterschiedlichsten Charakterrollen. Als gerissener Allroundganove Alexandre Dupré in der Action-Komödie Der Puppenspieler (1980) oder mit noch mehr Action als Ex-Agent des französischen Geheimdienstes. Der Profi wurde 1983 mit der Goldenen Leinwand ausgezeichnet. Großartiges Schauspiel von Jean-Paul Belmondo alias Henri Fortin im französischen Filmdrama Les Miserables, mit einem ebenso herausragenden Synchronschauspiel von Rainer Brandt. Die Verfilmung des Klassikers wurde 1996 mit einem Golden Globe Award als Bester ausländischer Film ausgezeichnet.
“She loves you yeah yeah yeah, she loves you yeah yeah yeah…”, “It’s been a hard dar’s night and I’ve been working like a dog…” Ja, richtig vermutet, Synchronschauspieler Rainer Brandt war auch schon einer der Beatles. 1964 wurde die Tony Curtis-Tolle stimmlich gegen den Pilzkopf von John Lennon eingetauscht. Im musikalischen Comedy-Film A Hard Day’s Night synchronschauspielte Brandt den Oscar- und mehrfachen Grammy-Preisträger auf dem Höhepunkt von Beatlemania. Der Film zeigt 36 Stunden aus dem Leben der englischen Rockband The Beatles. 40 Jahre später wurde der Kassenerfolg vom Time Magazine als einer der besten 100 Filme aller Zeiten bewertet. A Hard Day’s Night gilt als einer der weltweit einflussreichsten Musikfilme und inspiriert zahlreiche Spionagefilme und Musikvideos. Der großartige Rainer Brandt synchronisierte John Lennon auch im Beatles-Film Hi-Hi-Hilfe!.
Rainer Brandt war eine lebende Synchron-Legende. Über 60 Jahren kam seine Stimme in großartigen Produktionen in dem deutschen Sprachraum zum Einsatz. Als CIA-Agent Felix Leiter stimmenschauspielte er für Jack Lord im ersten James Bond-Film James Bond – 007 jagt Dr. No. Dem wunderbaren Schauspieler Mario Adorf verhalf er zu einer härteren Schurkenstimme und synchronisierte ihn alias Frederick Sander in Winnetou 1. Teil (1963), ebenso im Western Der letzte Ritt nach Santa Cruz, als Adorf wieder in die Stimmlage eines Bösewichts zu bringen war. Rainer Brandt synchronisierte viele Western, 2012 auch wieder einmal für Franco Nero im Meisterwerk von Quentin Tarantino. Django Unchained– mit Jamie Foxx, Christoph Walz, Leonardo DiCaprio und Samuel L. Jackson, wurde für fünf Oscars nominiert und mit zwei Academy Awards ausgezeichnet.
Schauspieler wollte Rainer Brandt werden, also ging es für ihn im Alter von 18 Jahren zum Vorstellen in ein Filmstudio. Doch er hatte sich zuvor gedanklich verlaufen und landete in einem Synchronstudio. Dort traf er auf Regisseur Alfred Vorher (Der Alte, Derrick, Traumschiff, Die Schwarzwaldklinik uvm.). Dieser hatte das richtige Gespür für den jungen Brandt und lies in direkt vorsprechen. Der talentierte Berliner überzeugte und landete direkt im Synchron. Parallel zu seiner Arbeit als Synchronsprecher absolvierte er eine klassische Schauspielausbildung. Noch in den fünfziger Jahren begann der talentierte Synchronsprecher für das DDR-Filmunternehmen DEFA, später für Karlheinz Brunnemann und auch bei der Deutschen Synchron zu arbeiten, ehe er eine eigene Synchronfirma gründete. Die Brandtfilm wird heute von seiner Tochter Judith Brandt, die ebenfalls Synchronsprecherin ist (Sophie Marceau, Monica Bellucci), geleitet. Eine Künstlerfamilie. Rainer Brandt ist mit Schauspielerin Ursula Heyer, der deutschen Stimme von Denver Clan-Bist Joan Collins verheiratet. Auch Sohn Andrej war lange Jahre im Synchron aktiv, sprach u.a. Bradley Greggin Die Klasse von 1999, lebt und arbeitet heute als Kameramann in Südafrika
Nicht nur wegen seines unglaublichen stimmlichen Facettenreichtums wurde Rainer Brandt oftmals als Synchron-Papst bezeichnet. Seine Kreativität zeigte sich seit Jahrzehnten ebenso im Bereich der Synchronregie und als Dialogbuchautor. Brandt war es, der in den siebziger und achtziger Jahren eine völlige neue Art der Synchronisation entwickelte. Eine humorvolle, die sich nicht völlig am Original orientierte. Genannt Schnodderdeutsch. Man kann es als einem Mischmasch aus Berlinismen, Jiddisch, ein bisschen Unterwelt und etwas Gosse bezeichnen, wie es die taz einst beschrieb. In diesem Schnodderdeutsch wird äußerst fantasievoll viel Humor eingebaut. Somit hatte Rainer Brandt als verantwortlicher Dialogbuchautor und Synchronregisseur maßgeblich zum Erfolg der britischen Serie Die Zwei im deutschen Sprachraum beigetragen. Erinnern wir uns wie Roger Moore alias Lord Brett Sinclair und Tony Curtis als Danny Wilde mit heißen Öfen durch die Landschaften brausten, um irgendwelche Gangster zu jagen. Mega Cool. Doch zum Kult wurde die Serie tatsächlich wegen der deutschen Synchronisation. Chapeau Rainer Brandt. Einige der Dialoge, die Brandt den Leinwandhelden in den Mund schrieb, haben sogar Einzug in die deutsche Alltagssprache gehalten, u.a.: „Ich glaub, mich tritt ein Pferd“ oder auch „Versuch macht kluch“ und „Sleep well in your Bettgestell.“ Als Dialogbuchautor war Brandt ebenso am Erfolg zahlreicher Bud Spencer und Terence Hill Italo-Western beteiligt. Viele erfolgreiche Formate verdanken ihren Durchbruch im deutschen Sprachraum seiner großartigen Dialog-Schreibe: M*A*S*H, Rauchende Colts, Alle unter einem Dach, Seinfeld, Frasier, Alien Nation uvm.
Ehre wem Ehre gebührt. Der Art Directors Club hatte Synchron-Papst und Schnodderdeutsch-Erfinder Rainer Brandt 2010 zum Ehrenmitglied ernannt. Vier Jahre später wurde der großartige Synchronschauspieler in der Kategorie Synchron-Kunst mit dem Berliner Bär ausgezeichnet. Der Kulturpreis wird seit 1991 von der B.Z. an herausragende Künstler vergeben, wie in der Vergangenheit z.B. an Harald Juhnke, Götz George und Grimme-Preisträger Armin Mueller-Stahl– der für seine Rolle in Shine – Der Weg ins Licht, bereits für den Oscar nominiert war. Rainer Brandt war eine lebende Legende, ein Multitalent in verschiedensten künstlerischen Formen des filmischen Wirkens.
H Ö R B E I S P I E L E:
Hörprobe 1:
Hörprobe 2:
Hörprobe 3:
Hörprobe 4:
Hörprobe 5:
Rainer Brandt und Lothar Blumhagen in der Sendung Palazzo / „Die Zwei“
Hier geht es weiter mit:
- Manfred Lehmann, der deutschen Bruce Willis Stimme
- Engelbert von Nordhausen, der deutschen Samuel L Jackson Stimme
- Christian Schult, der deutschen Robert Redford Stimme